Wiedehopf- immernoch selten, aber mit positivem Trend


Wiesenpieper- mitterweile stark gefährdet

Rauchschwalbe- in Städten immer seltener 

Neue Rote Liste: 5. Gesamtdeutsche Fassung

Vor Kurzem wurde die "Rote Liste der Brutvögel Deutschlands 2016" veröffentlicht. Die insgesamt fünfte gesamtdeutsche Fassung, die sich mit dem Zustand der heimischen Brutvögel auseinandersetzt, stellt die erste Aktualisierung seit 2008 dar. Wie erwartet hat sich die Gesamtsituation der heimischen Avifauna weiter verschlechtert, wobei bestimmte Artengruppen stärker als andere betroffen sind. Insgesamt werden inklusive der Vorwarnliste 134 Vogelarten in der neuesten Fassung gelistet, was in etwa der Menge von 2008 entspricht. In der höchsten Gefährdungskategorie 1 ("vom Aussterben bedroht") befinden sich fast unverändert 29 Arten. Die Kategorie 2 ("stark gefährdet") umfasst im Vergleich zur letzten Fassung nur noch 19 Arten (5 weniger als 2008). Fast eine Verdoppelung der Artenzahl fand jedoch in Kategorie 3 statt: 27 Vogelarten (13 mehr als 2008) werden nun als "gefährdet" eingestuft.

 

Die Gewinner- Wärmeliebende und geschützte Arten

Es gibt natürlich nicht nur Negatives zu berichten. So erholen sich zum Beispiel ehemals stark gefährdete oder fast ausgestorbene Arten wie Uhu, Wanderfalke und Seeadler weiterhin gut, was vor allem auf gezielte Schutzmaßnahmen zurückgeführt werden kann. Auch wärmeliebende Arten, die vom Klimawandel profitieren, wie Zaunammer und Wiedehopf konnten ihre Bestände auf niedrigem Niveau vergrößern. Vor allem dem Wiedehopf kommen zusätzlich gezielte Schutzmaßnahmen in Brutgebieten und der Einsatz von Nisthilfen zu Gute. Erfreulich ist unter anderem die Wiederansiedelung der Weißflügel-Seeschwalbe in Ostdeutschland (Schwerpunkt entlang der Oder) und neue Brutnachweise des Zwergsumpfhuhns. Beide Arten konnten somit aus der Kategorie 0 ("ausgestorben"), wo sie zuletzt geführt wurden, gestrichen werden.

 

Die Verlierer- ehemalige "Allerweltsvögel"

Wer in der Kategorie "gefährdet" Arten wie Rauchschwalbe, Trauerschnäpper oder Star erblickt, wird sich vielleicht verwundert die Augen reiben. Immer mehr "Allerweltsarten", die eigentlich ohne Mühe bei einem Spaziergang zu beobachten sein sollten, finden sich in höheren Gefährdungskategorien wieder.

Am schlimmsten ist es nach wie vor um die Feld- und Wiesenvögel bestellt. Charaktervögel wie Feldlerche, Kiebitz oder Wiesenpieper haben immer weniger Platz in unserer industrialisierten Agrarlandschaft. Intensiver Pestizid- und Herbizideinsatz vernichtet die Nahrungsgrundlage, häufige Mahden oder Umbrechen von Grünland zerstören die Brutplätze und Störungen zur Brutzeit nehmen zu. Ohne ein engagiertes Schutzkonzept haben einige dieser Arten keine Zukunft, was ein herber Verlust für unsere Biodiversität darstellen würde.

Zudem kristallisiert sich in den letzten Jahren eine weitere Problemgruppe heraus: Kulturfolger (also typische Stadtvögel), die sich stark an den von Menschen gemachten Lebensraum angepasst haben. So finden sich Mehl- und Rauchschwalbe mittlerweile in der Kategorie "gefährdet" wieder und auch Feld- und Haussperling stehen weiterhin auf der Vowarnliste. Weitere Arten (z.B. Mauersegler) könnten folgen. Hauptprobleme sind oft fehlende Brutmöglichkeiten durch Abriss alter Gebäude oder gezielte Maßnahmen gegen eine Ansiedelung. Gitter an Dachunterseiten verhindern beispielsweise an Neubauten, dass Schwalben ihre Nester bauen können- der Dreck ist vielen Menschen zu lästig.

 

Zukunftsaussichten und Schutzziele

Die neue Rote Liste zeigt einmal mehr allzu deutlich, dass trotz geeigneter Gesetzgebung und teilweise erfolgreicher Schutzmaßnahmen besonders bei ohnehin gefährdeten Vogelgruppen keine Trendwende erzielt werden konnte. Der Schutz einzelner Arten ist oft mit großen Anstrengungen verbunden und hat in der Vergangenheit schon ansehnliche Erfolge geliefert. Doch was nun gefragt ist, ist ein viel umfassenderer, effektiver Schutz. Es reicht nicht mehr, einzelne Arten kurz vor dem Aussterben aufwendig zu retten- dafür sind es schlicht zu viele. Notwendiger denn je ist ein großflächiges Umdenken bei der Agrarpolitik, um Offen- und Brachlandarten zu retten und nicht ausschließlich auf Naturschutzgebiete zurückzudrängen. Dabei geht es gewiss nicht nur um den Vogelschutz, sondern um viele weitere Wirbeltierarten und auch Wirbellose wie Insekten, die genau die gleichen Auswirkungen zu spüren bekommen. Statt einige (öffentlichkeitswirksame) Arten zu schützen, müssen ganze Lebensräume wieder naturnäher gestaltet werden, um einen großflächigen Artenrückgang zu verhindern. Dazu müssen zudem Vorschriften nicht nur erlassen, sondern auch deren Einhaltung überprüft werden. Denn das beste Naturschutzrecht ist nutzlos, wenn dessen Einhaltung nicht kontrolliert wird.

 

Was jeder tun kann

Gerade das Beispiel einiger Kulturfolger zeigt: die Naturentfremdung ist eines der Hauptprobleme in der heutigen Zeit. Während Schwalben früher als Glücksbringer galten, betrachten sie heute viele als nervig wegen der Bettelrufe der Jungvögel oder den Dreck unter dem Nest. Verknüpft mit dem Verständnis für die Natur geht auch das damit verbundene Verantwortungsbewusstsein zunehmend unter.

Die enge Anpassung an den Menschen, die manchen Arten über Jahrhunderte deutliche Vorteile brachte, entwickelt sich somit mehr und mehr zum Nachteil. Doch hier kann jeder Einzelne entgegenwirken. Sei es einfach durch Toleranz von Brutvögeln am Haus oder durch Interesse an der Umwelt, zum Beispiel in Form eines naturnahen Gartens oder durch das Einhalten der Regeln in Schutzgebieten. So können zumindest manche Probleme schon im Kleinen angegangen werden- die Natur wird es danken!

 

 

 

 

 

 




Neue Rote Liste 2016: Brutvögel Deutschlands